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Prof. Dr. med. Günter Hole, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapie
Die therapeutische Hypnose
Formen, Möglichkeiten und Grenzen
in: Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 49 (5.12.1997), Seite A-
Zur therapeutischen Anwendung hypnotischer Methoden bedarf es eines vom Hypnotiseur strukturierten Ablaufs mit Einleitung und Rücknahme des Zustandes. Die angestrebten Wirkungen können auf psychischer, motorischer und auch
psychosomatischer Symptomebene liegen. Die Einbettung in einen psychotherapeutischen Gesamtrahmen ist hierbei unbedingt notwendig. Die in den letzten Jahrzehnten auch im deutschsprachigen Raum zunehmend
häufigere Anwendung hypnotischer Verfahren in der Therapie wirft vermehrt Fragen nach dem Wesen und den Möglichkeiten dieser Methode auf. Sie ist erfreulicherweise als sogenanntes Zweitverfahren offiziell Bestandteil der
Psychotherapie-
Grundlagen und Wesen der Hypnose
Das Phänomen Hypnose allgemein
Abgesehen von der Mischung von Faszination und Unheimlichkeit, die das Stichwort "Hypnose" bei vielen Menschen auslöst, stehen wir hier auch wissenschaftlich vor einem Vorgang, dessen Wesen und innere Determinanten noch weithin unklar sind.
Dabei läßt sich die Wirksamkeit hypnotischer Techniken auf vielen Gebieten bis ins Detail beschreiben und auch zielmäßig planen. Dies gilt nicht nur für die öffentlichen SchauHypnosen, die besonders den Laien ansprechen, sondern gerade
auch für die therapeutischen Hypnoseformen.
Unabhängig von den verschiedenen gängigen Theorien der Hypnose beim Menschen handelt es sich hier zweifellos um eine Fähigkeit biologischer Systeme überhaupt. Diese ruht offenbar in gemeinsamen archaischen Schichten und ist
relativ leicht anstoßbar und aktivierbar. Anders wäre es nicht zu erklären, daß es auch eine Tierhypnose mit hochinteressanten Phänomenen gibt (5, 11) und daß es nicht nur bereits Anfängern in der Hypnose-
dilettierenden Laien gelingt, entsprechende Zustände zu erzeugen -
Meditation und den vielerlei Trancezuständen und ekstatischen Ausnahmezuständen zeigt ebenfalls, daß es sich hier um generelle Reaktionsmuster der Psyche handeln muß.
Zur Geschichte der Hypnose
Hypnotische Verfahren gehören zweifellos zu den ältesten psychischen Heilmethoden der Menschheit. Sie sind aus dem alten Ägypten, dem Asklepioskult (Tempelschlaf) bei den Griechen und einer Vielzahl analoger Praktiken bis in die
Neuzeit bekannt. Ebenso finden sie sich in anderen Kulturen, im Schamanentum, bei den Medizinmännern und Heilungstraditionen primitiver Völker überhaupt (2).
Die systematische beziehungsweise wissenschaftliche Erforschung hypnotischer Phänomene kann, abgesehen von verschiedenen Vorläufern, ab F. A. Mesmer (1734 bis 1815) datiert werden. Er war zwar der physiologischen Theorie eines
kosmischen "Fluidums" und "animalischen Magnetismus" verhaftet, verhalf aber der Hypnose als Heilverfahren im damaligen Europa zum allgemeinen Durchbruch. Im 19. Jahrhundert gab vor allem die Rivalität zwischen dem physiologischen
Erklärungsmuster ("Hysterie") der Schule von Paris (J.-
Bei beiden hatte S. Freud (1856 bis 1939) Erfahrung in der Hypnose gesammelt und diese auch therapeutisch ausgeübt. Er verließ diesen Weg aber wieder aus verschiedenen Gründen und gab der Psychoanalyse den klaren Vorzug. Die späteren
Vorbehalte der Psychoanalytiker gegen die Hypnose überhaupt haben unter anderem hierin ihre Wurzel. Die europäische Hypnosetradition setzte sich zu Beginn unseres Jahrhunderts vor allem über A. Forell und E. Bleuler in Zürich und über
O. Vogt und J. H. Schultz in Berlin fort. Das von letzterem entwickelte Autogene Training ist ein von der Hypnose abgeleitetes selbsthypnotisches Verfahren.
Wirkungstheorien und Hypnotisierbarkeit
Es gibt bis heute keine befriedigende oder umgreifende Theorie der Hypnose, trotz der erwiesenen Wirksamkeit. Das gängigste derzeitige Modell ist die sogenannte Dissoziations-
(Janet/Hilgard) (4, 6, 7), die von der unabhängigen Funktionalität der einzelnen kognitiven und physiologischen Systeme und damit ihrer gezielten Beeinflußbarkeit ausgeht. Je nach Gewichtung der hypnotischen Einzelphänomene
wurde das Wesen der Hypnose auch als "organismische Umschaltung" (Schultz), "partieller Schlaf" (Pawlow), "Fokussierung" der Aufmerksamkeit (Erickson), Steigerung der "ideoreflektorischen Erregbarkeit" (Bernheim), "außerwacher
Bewußtseinszustand" (Thomas) oder "Bewußtseinssenkung" mittels "Regression der Grundfunktion der Persönlichkeit" (Stokvis/Langen) bezeichnet. Ebenso finden sich lerntheoretische Modelle, die die Hypnose beispielsweise als "abstraktes
Konditionieren" (Welch) oder "konditionierte Inhibition" (Edmonston) auffassen, bis hin zur Interpretation als "sozialpsychologisches Rollenspiel" (Sarbin). Jeder dieser Erklärungs-
bestimmte Ebenen der hypnotischen Reagibilität, nicht aber die Komplexität des Phänomens.
Die Frage nach der Hypnotisierbarkeit des Menschen überhaupt, als Sonderfall der allgemeinen Suggestibilität, bewegt nicht nur viele Laien, sondern hat auch große Bedeutung für die therapeutischen Indikationen. Nach überwiegender
Einschätzung gelten höchstens zehn Prozent der Menschen als refraktär, das heißt nicht hypnotisierbar, wobei hiervon noch ein weiterer Teil durch häufiges Hypnotisieren reagibel werden kann. Etwa 20 Prozent sind sehr tief
hypnotisierbar, teilweise bis zu somnambulen Zuständen mit Amnesie, der Großteil liegt im Bereich mittelgradiger Hypnosetiefen (5). Gerade diese erweisen sich aber für die Therapie meist als günstiger, wohl eben wegen des erhaltenen
bewußten Ich-
haben.
Arten der therapeutischen Hypnose
Die direkte oder "klassische" Hypnose
Sie geht von den historisch entwickelten und in vielerlei Varianten modifizierten Beziehungsmustern aus, die dem Hypnotisanden eine deutlich passive, untergeordnete, reagierende und dem Hypnotiseur eine aktive,
dominierende, bestimmende Position zuweisen.
Dies zeigt sich insbesondere bei den klaren suggestiven Anweisungen zur Einleitung der Hypnose, aber auch in der Applikation von therapeutisch wirksamen Formeln oder in der verbalen Führung durch Bilderlebnisse. Auch die Induktion
von Veränderungen im Körpererleben (Schwere, Wärme und anderes) oder in der Muskelfunktion (Armlevitation, Katalepsie) geschieht vorwiegend in direktiver Weise. Diese durch eher eindeutige Vorgaben gekennzeichnete Methode kommt der
Struktur und hypnotischen Reagibilität vieler Patienten auch heute sehr entgegen. Ablauf und Ziele der Hypnose sind herbei transparent vorbesprochen.
Die indirekte oder "neue" Hypnose
Hier wird der Erfahrung Rechnung getragen, daß nicht wenige Menschen vermehrt einen Widerstand gegen direkte psychische Fremdbestimmung entwickeln und sich daher auch in der Hypnose besser einer permissiven, viel Wahlfreiheit lassenden
Methode öffnen. Die Patienten werden hierbei eher unmerklich, meist über einen allmählich in den hypnotischen Zustand ("Trance") hineinführenden Dialog suggestiv beeinflußt, wobei noch spezielle Methoden zur Anwendung kommen können.
Hierzu gehören suggestive Einstreutechniken und Verwirrtechniken, das empathische Aufnehmen von Körpervorgängen ("pacing"), zum Beispiel des Atemrhythmus, und dessen unmerkliche Beinflussung im eigenen Mitgehen
("leading"), auch das Offenlassen divergierender Reaktionsmöglichkeiten oder die Neubewertung von Symptomen in deren Symbolgehalt oder innerer Bedeutung ("reframing"). Leitgedanke ist hierbei die Erschließung eigener Ressourcen zur
Problemlösung und Symptomreduktion ("utilisation"), im Vertrauen auf die im Unbewußten verankerten positiven Kompensationsmöglichkeiten aus Lernerfahrung und Kreativität. Diese, von Milton Erickson (3) meisterhaft entwickelte Form
einer "neuen" Hypnose hat in kurzer Zeit große Verbreitung gefunden.
Kritische Bewertung der Unterschiede
Die neuen methodischen Elemente stellen sicher eine große Bereicherung und Erweiterung des hypnotherapeutischen Repertoires dar. Doch ist davor zu warnen, sie einfach als die fortschrittlicheren und damit "besseren" Modelle zu
betrachten, die die klassischen Methoden abzulösen hätten. Vielmehr wird erst im subtilen Kennenlernen des Patienten und in der Einzelindikation hinreichend gut erkennbar, für welche Verfahrensweise er seiner Struktur nach am besten geeignet
ist. Häufig erweist sich gerade eine gekonnte Kombination beider Formen als besonders wirksam. Ziel zukünftiger Hypnoseausbildung muß daher sein, den Erwerb entsprechender Kompetenz auf beiden methodischen Ebenen zu fördern.
Durchführung und Techniken
Aufbau und therapeutischer Kontext
Der Hypnose liegt eine intensive Beziehungsaufnahme beiderseits ("hypnotischer Rapport") zugrunde. Für deren möglichst störungsfreies Zustandekommen sollte eine entspannte, geräuscharme, optisch leicht gedämpfte Atmosphäre geschaffen
werden. Auch die anzustrebende ruhige, eher monotone Sprache des Hypnotiseurs dient der Innenorientierung im Rapport. Die nötige Vertrauensbildung hierzu setzt eine entsprechende empathische Einstellung des Hypnotiseurs voraus.
Prinzipiell ist die Durchführung sowohl im Liegen als auch im Sitzen, als Einzel-
abzielt, bedarf einer Einbettung in einen allgemeinen psychotherapeutischen Zusammenhang. In welchem Abschnitt des therapeutischen Prozesses dann das Einschalten einer hypnotischen Sequenz sinnvoll ist, bestimmt sich nach dem
hierfür gültigen Indikationsspektrum sowie entsprechenden Eignungskriterien auf Patientenseite. Unabhängig hiervon muß zu jeder hypnotischen Sitzung ein direktes, wenn auch kurzes Vor-
Einleitung, Vertiefung, Rücknahme
Das Hineinführen des Patienten in den hypnotischen Zustand ("Einleitung", "Induktion") kann über eine Vielzahl sogenannter Einleitungstechniken geschehen, erfordert aber jeweils ein innerlich klares, zielbewußtes Vorgehen beim
Therapeuten selbst. In der direkten Hypnose stehen vor allem optische Methoden (AugenFixierung, Farberleben, innere Bilder) oder akustische Methoden (monotone Geräusche, ruhige Tonfolgen, suggestive Sprache), auch konzentrierte Suggestion
von Körpersensationen (Schwere, Wärme, Atmung) im Vordergrund. Die indirekte Hypnose arbeitet vorwiegend mit dialogischen verbalen Induktionen einschließlich des Aufgreifens von Körper-
Weise oft unmerklicher oder für ihn überraschend in die Trance.
Ist durch solche Einleitungstechniken eine erste hypnotische Stufe erreicht, läßt sich eine weitere Vertiefung durch gezielte, verbale, suggestive Führung anschließen. Diese Stadien sind für das Einbringen der gewünschten
therapeutischen Elemente (Formeln, Bilderlebnisse, geführte Vorstellungen, hypnoanalytische Prozesse) besonders geeignet. Ein dialogischer Kontakt mit dem Patienten sollte dabei jederzeit möglich sein, auch zur Ermittlung von inneren
Störungen.
Von großer Wichtigkeit ist die richtige und komplette "Rücknahme" aller hypnotischen Veränderungen, sowohl auf psychischer als auch auf körperlicher Ebene (8). Dies geschieht -
(Zählmethoden, gezielte Rücksuggestionen, taktile Reize) und schließt die Vergewisserung des Hypnotiseurs über den erreichten Normalzustand ein, um posthypnotische Zwischenfälle zu vermeiden. Bei der indirekten Hypnose läuft die
Rücknahme meist weniger markant ab, weil hier auch der Anteil an Eigenregie
größer ist.
Spezielle Variationen
Die Hypnosetechnik wurde im Laufe der Zeit durch eine Vielzahl von Abänderungsmöglichkeiten bereichert. So hat sich zum Beispiel zur stärkeren Vertiefung die sogenannte "fraktionierte Hypnose" (nach Vogt und Brodmann) (6)
bewährt, bei der der Hypnotisand nach verkürzter Einleitung ein-
Wichtig für die anzustrebende eigentherapeutische Verantwortlichkeit des Patienten sind Methoden, die ihn allmählich von der konkreten Anwesenheit des Hypnotiseurs abzulösen vermögen. In der sogenannten "Ablationshypnose" nach
Klumbies wird dem Patienten zu Hause die Möglichkeit des Wiederholens der erlebten Hypnose gegeben (über Tonband oder hypnotisch eingeprägte Signalreize). Die von Kretschmer und Langen entwickelte "gestufte Aktivhypnose" andererseits
geht den umgekehrten Weg: Der Patient hat zuerst die Grundübungen des Autogenen Trainings zu erlernen und kommt dadurch in den hypnotischen Sitzungen viel rascher in die hypnoide Umschaltung hinein (5, 6, 8). Immer wieder ist daran zu
erinnern, daß es sich bei dem von J. H. Schultz entwickelten Autogenen Training um ein direkt aus der Hetero-
handelt (9, 10).
Wirkungsebenen der Hypnose
Die Hypnose als typisch ganzheitliches Verfahren bedient sich schon in der Induktionsphase der Einflußnahme, sowohl auf die psychischen als auch auf die psychomotorischen und die somatisch-
der allgemeinen Entspannung, Ruhigstellung und Versenkung als Primäreffekt sind daher schon die günstigen Wirkrichtungen auf die jeweiligen Funktionen vorgebahnt.
Auf der psychischen Ebene können dann die spezifischen Suggestionswirkungen von der angestrebten Gelassenheit und Distanzierung über die Beeinflussung von verschiedenen Ängsten bis zur Hebung des Selbstwertgefühls oder zu besonderen
Erlebnisformen mit intendierter Verhaltensänderung führen. Auf der psychomotorischen Ebene lassen sich, außer der verminderten Muskelspannung, auch konträre, oft als spektakulär erlebte hypnotische Abläufe erzeugen, wie zum
Beispiel unwillkürliche Bewegungsphänomene (Levitation, Katalepsie, automatisches Schreiben), die zum Teil auch therapeutisch eingesetzt werden können. Das vegetative System zeigt sich, wie ja auch vom Autogenen Training
bekannt, offenbar in besonderer Weise einer hypnotischen Beeinflussung und Umschaltung zugänglich, die nicht nur über die glatte Muskulatur, sondern auch über das sensorische System, die innere Sekretion und das Immunsystem läuft (1,
5, 6, 7).
Gleichermaßen sind hierbei sowohl bewußte innere Einstellungen als auch unbewußte System-
komplexen Gesamtvorgängen, einer Synthese aus Entspannungs-
Hypnose-
Therapeutische Indikationen
Grundformen des hypnosetherapeutischen Vorgehens
Aus der Vielfalt der Möglichkeiten lassen sich generell vier Arten von hypnotisch-
Die einfachste, auch für den Anfänger am ehesten geeignete Grundform ist die sogenannte "Indifferenz"Stellung des Symptoms, das heißt, daß dieses (zum Beispiel Angst, Schmerz) als "ganz gleichgültig" suggeriert wird, um eine innere
Distanzierung zu erreichen. Als nächstes sind die Applikationen bewährter Formeln zu nennen, die, nachdem sie auch im Vorgespräch vom Patienten akzeptiert wurden, konkret und deutlich dem Syndrom oder unerwünschten Verhalten (zum
Beispiel Prüfungsangst, Sucht, psychosomatische Störung) entgegenlaufen; sie lassen sich analog auch in das Autogene Training überführen (10).
Bereits größere Ansprüche an das hypnotische Können stellen dann gezielte Dissoziationstechniken, bei denen sich der Patient durch geführtes Bilderleben in einer anderen, angenehmeren Situation vorfindet, wo sich die Symptomatik
positiv umdeutet (zum Beispiel hypnotische Analgesie in der Zahnbehandlung, Kopfschmerz, Flugangst) oder wo die Symptome transformiert oder verschoben werden. Die gezielte hypnotische Mobilisierung eigener Ressourcen und
Lösungsmuster schließlich, die besondere Stärke der Ericksonschen indirekten Hypnose (3, 7), arbeitet mit dem erwähnten Repertoire von Utilisation, Reframing und Kreativitätsanregung, gerade auch bei komplexeren Prozessen (zum Beispiel
Reifungskrisen, psychosomatischen Syndromen, immunologischen Störungen). Natürlich gibt es eine Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten zwischen diesen hypnotherapeutischen Grundmustern.
Spezielle Symptom-
Es ist nicht nur wegen der notwendigen Kürze, sondern auch wegen der stark divergierenden therapeutischen Erfahrungen mit der Hypnose überhaupt ein ungeschütztes Unterfangen, aufzählend die verschiedenen Indikationsbereiche
durchzugehen. Unter Verzicht auf jegliche Abstufung läßt sich hier nur angeben, wo hypnotische Interventionen zumindest grundsätzlich wirksam sein können. Eines der Hauptfelder der Hypnosetherapie -
stellt die Vielzahl von Angstzuständen dar: umgrenzte Angstsyndrome im neurotischen Grenzbereich (Flugangst, Examensangst), spezielle soziale Ängste, Platzangst, Klaustrophobie, Panikattacken, bis zu den klassichen Objektphobien
und generalisierten Ängsten. Ein nächster Bereich sind chronische Schmerzsyndrome (natürlich soweit sie nicht akuten Signalcharakter haben): Kopfschmerzen, Phantomschmerzen, spastische Schmerzen, und zum anderen die
direkte Schmerzausschaltung (hypnotische Analgesie) bei Eingriffen, heute zunehmend vor allem in der Zahnmedizin. Motorische Störungen sind der Hypnose um so zugänglicher, je stärker ihr psychogener Anteil ist (Stottern, Tics, Schreibkrampf, Bruxismus, psychogene Lähmung). Auf dem großen Gebiet der psychosomatischen Störungen gilt dasselbe, hier sind praktisch alle Organsysteme partiell angehbar (vor allem Magen-
Schwieriger, wie auch für andere Behandlungskonzepte, gestaltet sich die Hypnosetherapie bei Suchtkranken (speziell Rauchen und Alkoholabhängigkeit); die sorgfältige Abklärung der Motivationslage, der Kooperationsfähigkeit sowie die
Planung längerfristiger Behandlungssequenzen sind Voraussetzung für einen Erfolg. Ebenso erfordert der mögliche, zum Teil aber kontrovers beurteilte Einsatz der Hypnose bei depressiven Syndromen viel Erfahrung und Flexiblität;
die hypnotische Reaktionsfähigkeit nimmt ohnehin mit zunehmender Depressionstiefe ab. Besonders strittig ist die Anwendung hypnotischer Verfahren bei schizophrenen Psychosen (6, 7). Zu erwähnen, aber nicht mehr zum Thema
gehörig, ist der heute zunehmend praktizierte Einsatz der Hypnose zur Leistungssteigerung (Sport, Lernen, Kreativität).
Hypnoanalyse
Trotz aller historischer Gegensätze zwischen Hypnose und Psychoanalyse hat sich eine fruchtbare Synthese zwischen beiden Methoden entwickelt, die freilich viel Kompetenz von beiden Seiten her erfordert. Sie belegt am deutlichsten, daß die
herkömmliche Zuordnung der Hypnose zu den sogenannten "zudeckenden" Verfahren in der Psychotherapie überholt ist. Die Aufdeckung psychogenetischer Determinanten für gegenwärtige Symptombildungen aus der psychischen Biographie (Traumata,
Defizite) geschieht hier nicht mit bewußten, assoziativen Methoden, sondern mittels hypnotisch induzierter Suchbewegungen (zum Beispiel gestufter Altersregression) oder gezielter Fokussierungen aus dem Unbewußten heraus. So
läßt sich oft viel rascher und affektnaher ein Zugang zu verschütteten Erlebnissen gewinnen und diese bearbeiten. Die Hypnoanalyse ist gewissermaßen die "Hohe Schule" der Hypnose.
Grenzen und Gefahren
Abgrenzung zur Schau-
In der Bevölkerung herrschen oft große Irritationen und Vorbehalte bezüglich der Hypnose als therapeutischem Verfahren, aufgrund von Vorerfahrungen mit spektakulären Hypnoseeffekten auf der Bühne und im Fernsehen. Hypnotischen
Naturtalenten gelingen, was nicht verwundert, oft sensationelle Phänomene, besonders durch gekonntes Herausfiltern hoch suggestibler Personen aus der Menge. Ebenso können dilettantisch vorgehende Laien, die Hypnose einfach
"ausprobieren" wollen, oft unerwartete oder sogar unerkannte hypnotische Zustände erzeugen. Die Gefahren, vor allem durch ausbleibendes oder mangelhaftes Zurücknehmen, liegen auf der Hand. Es gehört zu den wichtigen Aufklärungen der
Patienten im Vorfeld, die großen Unterschiede zur therapeutischen Hypnose möglichst deutlich zu machen, vor allem auch die häufige Angst vor Kontrollverlust zu besprechen.
Therapeutische Begrenzungen und Kontraindikationen
Hypnose ist ein psychisch enorm invasives Verfahren, und seine verantwortlicheAnwendung ist ohne sorgfältige Vordiagnostik und ohne Einbettung in einen psychotherapeutischen Gesamtprozeß nicht denkbar. Andererseits besteht, wie
dargelegt, eine große Breite möglicher Indikationen, innerhalb derer durch das Instrument der kontrollierten Rücknahme auch noch so intensive Effekte und Erlebnisse rasch wieder auf den Normalzustand zurückgeführt werden können -
meist besser als bei sonstigen belastenden Psychotherapiemethoden.
Begrenzungen bestehen einmal und natürlicherweise durch geringes Ansprechen auf die Methode an sich, dann durch hirnorganische Störungen, Konzentrations-
Störungen (schwere Depression); sie gelten auch für deutlichen Widerstand gegen die Hypnose überhaupt. Der alte Rat von J. H. Schultz (9), man solle zwei Gruppen von Menschen nicht hypnotisieren: solche, die unbedingt, und solche, die
auf keinen Fall hypnotisiert werden wollen, ist nach wie vor sehr beherzigenswert.
So können Patienten, die sich regelrecht zur Hypnose drängen (als angeblich "einzige Hilfe"), bereits eine relative Kontraindikation darstellen, sowohl wegen der starken regressiven Wünsche als auch wegen der Übererwartung, die hier
meistens bestehen. Als relative Kontraindikation gelten auch stärkere hysterische Akzentuierungen. Abgesehen von der genannten strittigen Indikation bei psychotischen Zuständen an sich erfordern schließlich besonders paranoide
Syndrome eine kritische Abwägung; ein Behandlungsversuch muß hier einem hocherfahrenen Hypnosetherapeuten vorbehalten bleiben.
Gefahrenbereiche und Zwischenfälle
Die überwiegende Zahl negativer Vorkommnisse beruht auf fehlender oder unvollständiger Rücknahme der Hypnose, beziehungsweise der mangelhaften Vergewisserung über eventuell persistierende psychische oder körperliche
Restphänomene. Sowohl verbleibende Ich-
werden, besonders im Straßenverkehr. Als nächstes sind die Folgen unkritischer Indikationsstellung und forsch angestoßener, aber nicht mehr beherrschbarer psychischer Prozesse zu nennen, wie akute Angst-
Selbstwertkrisen, Orientierungsverlust, depressive oder psychotische Attacken.
Zwischenfälle und unvorhersehbare Reaktionen kann es freilich auch bei sachgerechter Durchführung der Hypnose geben. Doch in der Hand von Unkundigen und Unbefugten sind die beschriebenen Gefahren unvergleichlich größer. Dies gilt
vor allem dann, wenn das gesamttherapeutische Rüstzeug fehlt oder wenn -
Auch die oft diskutierte Gefahr des sexuellen Mißbrauchs in der Hypnose ist zweifellos gegeben und belegt. Sie liegt aber wohl kaum höher als bei anderen begünstigenden Konstellationen in der Medizin überhaupt. Jedoch kann hier
speziell die Situation der psychischen Nähe und des psychischen Ausgeliefertseins, mit Verringerung der individuellen Kontrollmechanismen, die Versuchung steigern.
Die Möglichkeit hingegen, jemanden in der Hypnose zur Ausführung eines Verbrechens zu verleiten -
es praktisch kaum gelingt, einen Menschen in Hypnose zu Handlungen entgegen seinem eigenen persönlichen Wertsystem zu nötigen, soweit keine sonstige soziale Druck-
Schlußbemerkungen
Die therapeutisch eingesetzte Hypnose ist ein Verfahren mit vergleichsweise hoher Effizienz und gleichzeitig guter Steuerungsfähigkeit. Durch ihren psychisch stark invasiven Charakter bietet sie die Möglichkeit zur Mobilisierung
oft ungeahnter Heilungspotentiale und Ressourcen, freilich auch manchmal mit der Entbindung unerwarteter Reaktionen. Mit beidem in für den Patienten fruchtbarer und beschützender Weise umzugehen, bedarf einer übergreifenden Kompetenz und Erfahrung mit psychodynamisch-
Damit ist auch eine Aussage über den für dieses Verfahren überhaupt akzeptierbaren fachlichen und beruflichen Hintergrund gemacht: Es muß außer der speziellen Hypnose-
beziehungsweise Weiterbildung vorliegen. Hierdurch grenzen sich auch die in Frage kommenden Berufsgruppen generell ein, nämlich auf Ärzte und klinische Psychologen mit solcher Qualifikation, abgesehen von der Sondersituation bei
hypnotisch arbeitenden Zahnärzten. Alles andere muß eine personenbezogene und qualitativ vergleichbare und kontrollierbare Ausnahme bleiben.
Bedenkt man daher die für eine verantwortbar durchgeführte Hypnosebehandlung notwendigen Rahmenbedingungen einschließlich des jeweiligen Vor-
offzielle Geringschätzung des Werts einer solchen Leistung gesehen werden. Um so mehr verdient Anerkennung, wer sich wegen seiner persönlichen Affinität zu diesem Verfahren und wegen seiner Überzeugung von dessen therapeutischen Möglichkeiten dennoch nicht abhalten läßt, es anzuwenden.
Literatur:
1. Bongartz W: Der Einfluß von Hypnose und Streß auf das Blutbild. Frankfurt:
Verlag Peter Lang, 1996.
2. Ellenberger HF: Die Entdeckung des Unbewußten. Bern: Hans Huber, 1985.
3. Erickson MH: Advanced techniques of hypnosis and therapy (edit J Haley). New
York, London: Grune and Stratton, 1967.
4. Hilgard ER: The problem of divided consciousness: a neodissociation
interpretation. Ann New York Acad of Science 1977; 296: 48-
5. Jovanovic UJ: Methodik und Theorie der Hypnose. Stuttgart: Gustav
Fischer-
6. Kossak HC: Hypnose. 2 Aufl. München: Psychologie Verlags Union, 1993.
7. Revenstorf D (Hrsg): Klinische Hypnose. Berlin, Heidelberg, New York:
Springer-
8. Schäfgen E: Hypnosetherapie. Köln: Deutscher Ärzte-
9. Schultz JH: Hypnosetechnik. 9. Aufl. Stuttgart, Jena, New York: Gustav
Fischer-
10. Thomas K: Praxis des Autogenen Trainings/Selbsthypnose nach J.H. Schultz.
Stuttgart: Thieme, 1989.
11. Völgyesi FA: Menschen-